02.12.2024

Umfrage in Kitas und Tagesfamilien: Ausreichend finanzierte Qualität auf allen Ebenen ist notwendig

Tagesfamilienorganisationen und Kitas engagieren sich stark sowohl für qualitativ hochwertige Betreuungsangebote als auch für die Aus- und Weiterbildung der Betreuungspersonen. In finanziellen Fragen priorisieren sie stets die Kinder und die Mitarbeitenden. Dies hat die Erhebung zur pädagogischen Qualität von kibesuisse ergeben. Für den Verband braucht es deshalb national, kantonal und kommunal eine ausreichende Finanzierung der Qualität in der familienergänzenden Bildung und Betreuung. Zudem muss die Schweiz mit der Erarbeitung von gesetzlich verankerten Qualitätsstandards vorwärtsmachen.

Pädagogische Qualität hat verschiedene Dimensionen 

Zum zweiten Mal hat der Verband Kinderbetreuung Schweiz (kibesuisse) das Forschungsinstitut INFRAS beauftragt, eine Branchenerhebung durchzuführen. Während im vergangenen Jahr Daten zur Auslastung, Personal oder Finanzen das Ergebnis der Umfrage waren, lag diesmal der Fokus auf der pädagogischen Qualität. Diese fächert sich in verschiedene Dimensionen auf (vgl. Kasten «Qualitätsdimensionen»). 

Qualität steht zuoberst 

Die Erhebung zeigt, welche Faktoren zu einer guten pädagogischen Qualität der familienergänzenden Bildung und Betreuung in Kitas und Tagesfamilien beitragen und wie diese schweizweit umgesetzt wird. Eines schon vorweg: Die pädagogische Qualität hat einen hohen Stellenwert bei den befragten Kitas und Tagesfamilienorganisationen, die zum Wohl und zur Entwicklung der Kinder in diesem Bereich sehr viel leisten. Die Erhebung weist zudem auf Verbesserungspotenziale und auf die entscheidenden Rahmenbedingungen für die pädagogische Qualität, die es anzustreben gilt. 

Tagesfamilienorganisationen zum ersten Mal dabei 

Neu haben neben Kita-Trägerschaften auch Tagesfamilienorganisationen (TFO) erstmals an der Umfrage teilgenommen (vgl. Kasten «Angaben zu den Teilnehmenden»). Gemeinsam mit den Kitas und den schulergänzenden Tagesstrukturen zählen sie zu den drei institutionellen Formen der familienergänzenden Bildung und Betreuung. Sie sind eingebunden in ein Setting, das auf eine fortschreitende Professionalisierung von Betreuungs- und Vermittlungspersonen setzt. 

Einsatz für die Aus- und Weiterbildung 

Eine deutliche Mehrheit von 78 Prozent der TFO nutzen die von kibesuisse konzipierte Grundbildung für ihre Betreuungspersonen in Tagesfamilien. Diese umfasst 30 Unterrichtsstunden, die auf fünf Tage verteilt sind. 20 Prozent der Befragten nutzen eine andere Form der Grundbildung, wobei deren Dauer von 15 bis 60 Stunden reicht. Insgesamt 23 Prozent der Betreuungspersonen haben einen pädagogischen Abschluss. Bei den Vermittlungspersonen liegt der Anteil mit durchschnittlich 65 Prozent höher. 

Kitas sind stark in der Ausbildung engagiert. 87 Prozent der Trägerschaften mit einer einzigen Kita – sogenannte Einzelkitas – und 95 Prozent der Trägerschaften mit mehr als einer Kita bieten Ausbildungsplätze für die berufliche Grundbildung. Plätze für die Höheren Fachschulen (HF) auf tertiärer Ebene bietet über die ganze Schweiz gesehen jede vierte Einzelkita und jede zweite Trägerschaft mit mehr als einer Kita. Bei letzteren besuchten die Mitarbeitenden etwas häufiger eine Weiterbildung. Der Anteil liegt mit 51 Prozent etwas höher als bei den Einzelkitas, wo 39 Prozent der angestellten Betreuungspersonen im Jahr 2023 eine mindestens eintägige Weiterbildung absolviert haben. 

Wichtigste Faktoren für die pädagogische Qualität 

Bei der Einschätzung der Wichtigkeit der unterschiedlichen Rahmenbedingungen für die pädagogische Qualität im Alltag haben die TFO die enge Zusammenarbeit der Betreuungspersonen mit den Eltern an die erste Stelle gesetzt. Praktisch genauso wichtig sind für sie ausreichend Zeit für die Vermittlungspersonen für die Begleitung der Betreuungspersonen, die Qualifizierung der Betreuungs- und Vermittlungspersonen, die internen und externen Weiterbildungen sowie genügend finanzielle Mittel. 

Die befragten Kita-Trägerschaften haben eine kompetente Leitung als den wichtigsten Faktor für eine gute pädagogische Qualität eingeschätzt. Ebenfalls relevant aus ihrer Sicht sind genügend finanzielle Mittel, der Betreuungsschlüssel, ausreichend Zeit für mittelbare pädagogische Arbeit und die Zusammenarbeit mit den Eltern. So führen 73 Prozent der Einzelkitas und 81 Prozent der Trägerschaften mit mehr als einer Kita mindestens einmal jährlich oder öfter ein Entwicklungsgespräch durch. Etwa gleich häufig finden formelle Anlässe wie Elternabende oder -befragungen statt. 

Digitalisierung am ehesten entbehrlich 

Zuletzt wurden die Teilnehmenden gefragt, in welchen Bereichen sie aufgrund von finanziellen Engpässen Abstriche machen würden. Die TFO würden zuallererst darauf verzichten, die Digitalisierung weiterzuentwickeln, und zuletzt bei der Grundbildung und den Löhnen der Betreuungspersonen den Gürtel enger schnallen. Neben der Weiterentwicklung der Digitalisierung würden Kitas zuallererst beim Mobiliar und am wenigsten bei den Löhnen des Personals und der Verpflegungsqualität der Kinder sparen. In beiden Fällen manifestiert sich eine eindeutige Priorisierung zugunsten der Kinder und der Mitarbeitenden. 

Erste Forderung: Qualität muss im UKibeG drin bleiben 

Damit die Trägerschaften gar nicht erst in eine solche Zwickmühle kommen, müssen sie über genügend finanzielle Mittel verfügen, um in Massnahmen für eine gute pädagogische Qualität investieren zu können. kibesuisse fordert deshalb erstens auf der nationalen Ebene, den Förderbereich der Qualität im Entwurf des Bundesgesetzes über die familienergänzende Kinderbetreuung (UKibeG) beizubehalten, über das der Ständerat am 4. Dezember 2024 in der Wintersession beraten wird. Der Ausbau der Plätze in den Institutionen und der Ausbau der Qualität sind zwei Säulen, die aufeinander abgestützt sind: Beide müssen gleichzeitig gestärkt werden. Das neue Gesetz muss deshalb neben der finanziellen Entlastung der Eltern zusätzlich die Qualitätsentwicklung der familienergänzenden Bildung und Betreuung UND deren Finanzierung unterstützen. 

Zweite Forderung: Nachhaltige Finanzierungsmodelle auf Ebene Kanton und Gemeinde 

Auf der kantonalen und kommunalen Ebene braucht es zweitens sowohl verbindliche gesetzliche Vorgaben als auch Subventionierungssysteme, die alle drei Betreuungsformen einheitlich regeln und ausreichend finanzieren. Dies macht es möglich, die Professionalisierung aller Fachpersonen zu erreichen und den Fachkräfte- und Personalmangel in der familienergänzenden Bildung und Betreuung zu bekämpfen, wie der kürzlich von kibesuisse und anderen Branchenorganisationen veröffentlichte Offenen Brief an die Behörden aufgezeigt hat. 

Dritte Forderung: Gesetzlich verankerte Qualitätsstandards müssen kommen 

Drittens hat die vorliegende Erhebung die Dringlichkeit aufgezeigt und bestätigt, dass adäquate Qualitätsstandards in der familienergänzenden Bildung und Betreuung erreicht werden müssen. Vor dem Hintergrund des Tages der Kinderrechte, an dem die UNO-Konvention über die Rechte des Kindes verabschiedet wurde, erinnert kibesuisse an die explizite Empfehlung des UN-Kinderrechtsausschusses an die Schweiz, Qualitätsstandards für Kindertagesstätten auf Bundesebene auszuarbeiten und die Umsetzung zu monitoren (vgl. Schlussbemerkungen zum fünften und sechsten Staatenbericht der Schweiz, Abschnitt E, Ziffer 30). Stand heute sind die Ausarbeitung und gesetzliche Verankerung dieser Qualitätsstandards immer noch ausstehend. Eine mögliche Option könnte das kibesuisse-Qualitätslabel «QualiKita» sein, das einen wissenschaftlich basierten und praxiserprobten Standard für die Qualität in Schweizer Kitas setzt. 

Qualitätsdimensionen 

Im Hinblick auf die pädagogische Qualität hat sich die Einteilung in verschiedenen Dimensionen etabliert. Unter dem Begriff der Strukturqualität werden Aspekte wie die Gruppengrösse, der Betreuungsschlüssel, die Ausstattung der Räume sowie die Qualifikation und Löhne der Betreuungspersonen subsummiert. Mit der Prozessqualität sind alle Interaktionen und Erfahrungen gemeint, die ein Kind mit seiner Umwelt macht. Zur Orientierungsqualität zählen die pädagogischen Werte und Haltungen der Betreuungspersonen ebenso wie das pädagogische Konzept der Institution. Die Management- und Organisationsqualität umfasst Themen wie Personalführung, Qualitätsentwicklung und Supervision. Zuletzt schliesst die Kontextqualität Aspekte wie die gesicherte Finanzierung ein. 

Angaben zu den Teilnehmenden 

Insgesamt haben 304 Trägerschaften an der Befragung teilgenommen. Davon sind 258 Kita-Trägerschaften, 34 Tagesfamilienorganisationen (TFO) sowie 12 Mischorganisationen (Kita-Trägerschaft und TFO). Der Anteil der teilnehmenden Trägerschaften nach den sieben kibesuisse-Regionen (Deutschsprachiges Mittelland, Nordwestschweiz, Ostschweiz und FL, Romandie, Italienischsprachige Schweiz, Zentralschweiz, Zürich) entspricht weitgehend dem Anteil an der ständigen Wohnbevölkerung. Die Romandie ist mit 15 Prozent dabei untervertreten, während die italienischsprachige Schweiz (7 Prozent) und das deutschsprachige Mittelland (16 Prozent) leicht überrepräsentiert sind. Die 270 Kita-Trägerschaften bieten insgesamt 15'731 Betreuungsplätze, die 46 TFO betreuten insgesamt 5592 Kinder. Für alle erhobenen Angaben gilt als Referenzmonat der November 2023. 

Zur Medienmitteilung 

Zur Zusammenfassung der Ergebnisse 

Zum Schlussbericht von INFRAS im Auftrag von kibesuisse vom 31. Oktober 2024: «Erhebung zur pädagogischen Qualität in Kitas und Tagesfamilien»