18.09.2024

System der Familienzulagen ist reformbedürftig

Die Studie von Marc Stampfli hat ergeben, dass das System der Familienzulagen grundlegend umgestaltet werden sollte. Der ehemalige Fachbereichsleiter des Bundesamts für Sozialversicherungen plädiert deshalb für eine vom Bund koordinierte und umfassende Reform. Diese sollte das Kind konsequent ins Zentrum stellen, Familien in prekären wirtschaftlichen Situationen entlasten, die Finanzierung vereinheitlichen und die Ausrichtung der Zulagen vereinfachen. 

Das schweizerische Familienzulagensystem weist Reformbedarf auf. Zu diesem Schluss kommt Marc Stampfli in seiner Studie, die das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) in Auftrag gegeben hat. Darin geht der ehemalige Leiter des Bereichs Familienfragen im BSV der Entstehungsgeschichte und den Reformmöglichkeiten des Systems der Familienzulagen auf den Grund. 

Deutliche Mängel im geltenden System 

Stampfli macht drei grundlegende Mängel im Familienzulagensystem aus. Erstens ist der Anspruch auf Familienzulagen an den Erwerbsstatus der Eltern gebunden und nicht wie in den meisten europäischen Ländern an das Kind selbst. Diese Anknüpfung ist verantwortlich beispielsweise für die Anspruchslücken bei Eltern, die sich in prekären Erwerbssituationen befinden. Zweitens führt die geteilte Zuständigkeit zwischen Bund und Kantonen zu einem erheblichen Gefälle bezüglich Höhe und Art der ausgerichteten Leistungen. Entsprechend unterschiedlich sind die Kosten, die je nach Leistungshöhe in den einzelnen Kantonen zu finanzieren sind. Drittens stellt sich die Frage, ob die Privilegien für die Landwirtschaft, wo die Zulagen von der öffentlichen Hand finanziert werden, angesichts der Abgrenzungs- und Zuständigkeitsprobleme und mit Blick auf andere Branchen gerechtfertigt sind. 

Grundlegende Reform unabdingbar 

Da diese erheblichen Lücken und Mängel systemimmanent sind, lassen sie sich nur mit einer grundlegenden Reform nachhaltig beheben. Stampfli hält die aus seiner Sicht drei wichtigsten Eckwerte fest. Erstens fordert er, den Anspruch auf Familienzulagen unabhängig vom Erwerbsstatus der Eltern an das Kind zu knüpfen. Zusätzlich zu den Familienzulagen werden Bedarfszulagen an Working-Poor-Familien ausgerichtet, um Familienarmut gezielt zu minimieren. Zweitens müssen schweizweit einheitliche Finanzierungsregeln für die Familienzulagen geschaffen werden. Dazu würde auch das Finanzierungsprivileg des Landwirtschaftssektors wegfallen. Drittens gilt es, die Verwaltungskosten mit Hilfe eines schlankeren Durchführungsapparats zu senken. 

Diskussion anstossen ist das Ziel 

Stampfli ist sich aufgrund der langwierigen Entstehungsgeschichte des Familienzulagengesetzes bewusst, dass die Chancen gering sind, ein umfassendes Bundesgesetz zu realisieren. Trotzdem hofft er, mit den skizzierten Punkten für die Ausgestaltung der Bundeslösung eine ergebnisoffene Diskussion über die Zukunft des Familienzulagensystems anzustossen. 

Studie von Marc Stampfli: «Das schweizerische Familienzulagensystem. Entstehung, aktuelle Ausgestaltung und Reformmöglichkeiten» 
Artikel in der Onlinepublikation CHSS des BSV