Kürzung in der familienergänzenden Bildung und Betreuung ist kurzsichtig und inakzeptabel
Der Bundesrat hat den Verzicht auf Bundesbeiträge für die familienergänzende Bildung und Betreuung als die finanziell gewichtigste Massnahme definiert, um den Bundeshaushalt zu entlasten. kibesuisse lehnt diesen Vorschlag kategorisch ab: Damit mischt sich der Bundesrat nicht nur in die laufende Beratung der Legislative ein, sondern er lässt sein Ziel der Vereinbarkeit von Familie und Beruf als blosses Lippenbekenntnis erscheinen. Mit Blick auf die Zukunft fordert der Verband deshalb den Bundesrat dazu auf, dem Kindeswohl Rechnung zu tragen.
UKibeG ist der grösste Brocken
An seiner Sitzung vom 20. September 2024 hat der Bundesrat festgelegt, welche Entlastungsmassnahmen aus dem Bericht der von ihm eingesetzten Expertengruppe «Ausgaben- und Subventionsüberprüfung» weiterverfolgt werden sollen. Den unrühmlichen ersten Platz – vom finanziellen Betrag betrachtet – nehmen die rund 800 Millionen Franken ein, die für das Bundesgesetz über die familienergänzende Kinderbetreuung (UKibeG) eingeplant sind.
Fragwürdiges Vorgehen des Bundesrats
Diese Ausgabe, die auf dem Entscheid des Nationalrats vom vergangenen Jahr basiert, ist noch nicht einmal fix in den Büchern des Bundes. Zurzeit wird die Variante der ständerätlichen Kommission mit der sogenannten Betreuungszulage diskutiert, an der sich der Bund finanziell nicht mehr beteiligen soll. Dessen ungeachtet mischt sich der Bundesrat hier in ein laufendes Geschäft des Parlaments ein – notabene zum zweiten Mal nach der Vernehmlassung zum sogenannten Entlastungspaket 2025. Deshalb gilt nach wie vor, was kibesuisse in der damaligen Stellungnahme festgehalten hat: «Es ist ein unzulässiger Eingriff in die Gewaltenteilung, wenn der Bundesrat dem Entscheid der Legislative vorzugreifen beziehungsweise ihn zu beeinflussen versucht.»
Die Dinge werden nicht beim Namen genannt
Schwerer als dieser formale Verstoss wiegt aus Sicht von kibesuisse die Augenwischerei, mit der der Bundesrat diese Massnahme begründet. So sagt er in der Medienmitteilung, dass es nicht um das Sparen in der familienergänzenden Bildung und Betreuung gehe, sondern um die «Vermeidung von Mehrausgaben». Das ist störend aus drei Gründen. Erstens ist diese Umschreibung nichts anderes als reine Wortklauberei. Zweitens klingt sie so, wie wenn Kinder bloss ein Kostenfaktor wären – und nicht die Zukunft dieses Landes, wie die Politikerinnen und Politiker landauf, landab bei jeder Gelegenheit betonen.
Den eigenen Zielen Rechnung tragen
Drittens hat der Bundesrat die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie als eines der Legislaturziele definiert. Das hat er gerade kürzlich bekräftigt, als er die Ziele für das Jahr 2025 präsentiert hat. Eines der Handlungsfelder der Leitlinie 2 «Zusammenhalt» ist genau diese Vereinbarkeit von Beruf und Familie, zu der das UKibeG einen grossen Beitrag leistet. Mit dem UKibeG soll der Bundesrat beweisen, dass die Förderung der familienergänzenden Bildung und Betreuung nicht bloss ein Lippenbekenntnis ist, sondern dass es ihm ernst damit ist und den Worten auch Taten folgen lässt.
Kinder leiden am meisten darunter
kibesuisse erinnert daran, dass diese Kürzungsmassnahme eine Lose-Lose-Situation ist, worunter alle leiden: die Trägerschaften, weil sie Betreuungsplätze abbauen, Öffnungszeiten reduzieren oder gar ganz schliessen müssen; die Betreuungspersonen, weil der Druck zunimmt und sie schliesslich aus dem Beruf aussteigen; die Eltern, weil sie keine Betreuung für ihre Kinder finden und dadurch auf die Erwerbstätigkeit oder Ausbildung verzichten müssen. Die primären Leidtragenden sind aber ganz klar die Kinder – ein Armutszeugnis für das sogenannte Bildungsland Schweiz.
Kindeswohl ist die beste Richtschnur mit Blick auf die Zukunft
Die Kürzungsmassnahme ist auch kurzsichtig in Bezug auf die Zukunft, denn die Schweiz hat erwiesenermassen dringenden Nachholbedarf in drei Punkten: Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Chancengerechtigkeit von Kindern sowie Zugänglichkeit, Qualität und Bezahlbarkeit der familienergänzenden Bildung und Betreuung (vgl. internationale Vergleichsstudie des Unicef-Forschungsinstituts Innocenti «Where do rich countries stand on childcare?»). Wenn heute das Wohl der Kinder gestärkt wird, können sie sich in Zukunft besser entfalten und zur Gestaltung der Gesellschaft beitragen. In diesem Sinne wird sich kibesuisse bei der Vernehmlassung einbringen, die im Januar 2025 zu den bundesrätlichen Sparvorschlägen eröffnet werden soll.